Throwback Thursday: 21 Jahre alter Ecolianer-Artikel über die Schulgemeinde
Die Juni-Ausgabe des Ecolianer im Jahr 2004 widmete sich unter anderem einem Reflexionsartikel der Schulgemeinde – der wöchentlichen Vollversammlung an der Ecole. Der Artikel beinhaltet ein Interview mit den damaligen Schulgemeindeleiter*innen, ehemaligen Schüler*innen und Mitarbeitenden und beleuchten, wie die Schulgemeinde erlebt wird, welche Herausforderungen sie mit sich bringt und welche Rolle sie im Gemeinschaftsleben der Ecole spielt.
Die Kommentarbeiträge wurden geschrieben von:
– Armin Lüthi (M 4.48–3.50, 4.56 ff.)
– Kim Dios (M 9.95–8.99)
– KC Hill (S 1970–1973, M 1993–2011)
– Chris Gray (S 9.59–6.61)
Der englische Kommentar auf Seite 4 wurde ins Deutsche übersetzt und folgt unten.




1959: Summerhill-Gründer A.S. Neill hilft beim Aufbau der Schulgemeinde an der Ecole
Chris Gray teilt ihre Erinnerungen an einen wichtigen Besuch eines bedeutenden Pädagogen: A.S. Neill, weltbekannter Gründer der englischen Internatsschule Summerhill. Offenbar lernte Chris schon früh einige der Grundprinzipien der Geheebschen Pädagogik durch Neill kennen. „Ich bin immer wieder fasziniert von diesen Erinnerungen an längst vergangene Tage! Was für ein Privileg, Geheeb und Neill als junger Schülerin persönlich begegnet zu sein!“ – Ich war auch neugierig, wie andere, die damals an der Ecole waren, sich an den Beginn der Schulgemeinde und an Neills Besuch erinnern. Mary, Clarita, Patrick und Barbara – Chris sagt, ihr wart dabei. Woran erinnert ihr euch?
– KC Hill (Student 1970-1973 and Mitarbeiter 1993-2011)
A.S. Neill sollte Anerkennung dafür bekommen, dass er die Gründung der Schulgemeinde an der Ecole entscheidend mitangestossen hat. Als er im Herbst 1959 seine Tochter Zoë zurück nach Summerhill (England) brachte, hielt er in unserem Grossen Saal einen bemerkenswerten Vortrag. Die Botschaft, die mich am stärksten berührte, war unser eigenes Verantwortungsgefühl – selbst als Kinder. Es ging darum, mitzuhelfen statt nur zu kritisieren, konstruktive Lösungen zu finden statt zu jammern, und Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Ich war neu an der Schule, gehörte aber zu einer grösseren Gruppe von Schülerinnen, die frustriert darüber waren, wie ungleich gewisse Arbeiten von Lehrerinnen verteilt wurden – ohne Möglichkeit zur Mitsprache. Wir dachten: Das müsste sich fairer organisieren lassen – durch eine Art Ausschuss oder Schülervertretung, der auch bei künftigen Konflikten helfen könnte.
Nach Neills Vortrag fragte ich ihn, ob es einen Weg gäbe, die ungerechte Verteilung der unbeliebten Putzausaufgaben fairer zu regeln. Neill setzte sich mit uns zusammen – Jeanne Ryan, Mary Schäffer (Clarita?), Patrick?, Barbara? – und einigen anderen. Wir sprachen auf Englisch. Ich bin sicher, ohne A.S. Neill hätte es die Schulgemeinde nicht gegeben. Ohne ihn wären wir im Kritisieren stecken geblieben, statt eine technische Lösung und einen Weg zur Mitbestimmung zu finden.
Und ich erinnere mich auch an den Spass: an die ausgelassene, brillante Freude, die wir dabei hatten, uns Ausschüsse und Namen für sie auszudenken! Ich hatte das Glück, in eine Gruppe zu kommen, die Calisthenics einführte (Kraft- und Bewegungsübungen). Ich mochte diese Gruppen besonders. Alle Schüler*innen fühlten sich stärker einbezogen – es gab plötzlich Wege, etwas zu verändern. Ich denke, viele waren stolz auf die Aufgaben, die sie übernahmen – es war kein „Abstrafen“, wenn man an der Reihe war, sondern ein sinnvoller Beitrag.
Das Wort „Empowerment“ war damals wahrscheinlich noch nicht geläufig, aber genau das hat Neill getan: Er hat uns bestärkt. Durch diese Plattform für Mitsprache zwischen Schülerinnen und Lehrerinnen haben wir nicht nur uns selbst ermächtigt, sondern auch einander. Neill hat uns zugehört. Er sass mit uns, half uns, Hindernisse laut auszusprechen, gemeinsam Wege zu finden, wie wir unsere Ideen verwirklichen konnten. Er zwang uns nie, etwas zu tun, nur weil er älter oder grösser war.
Ich bin mir sicher: Neill hat zugehört, mitgedacht, mitgefühlt – und war klug, herzlich und voller Begeisterung. Etwas so Kraftvolles gemeinsam zu entwickeln – dafür braucht es jemanden wie ihn. Er war ein Mensch mit echter Leidenschaft.
– Chris Gray (S 9.59–6.61)